Die Sternwarte zu Greenwich.
Erstes Kapitel.
Eine Mondnacht.
Abenddämm`rung wandte sich ins helle
Herz und Geist auf einmal wurden froh,
Als die Nacht, die schüchterne Gazelle,
Bei dem Schein des Abendlöwen floh.
Wochen waren seit unsrer letzten
Unterhaltung vergangen. Trübe Herbstwitterung
hatte uns den Himmel verschlossen gehalten, zu dem
wir uns erheben wollten. Ich sah diese Verzögerung
nicht ganz ungern. Denn es stand uns ein großes
Ereignis am Himmel bevor, und wie von der Beobachtung
der Sonnen und Mondfinsternis auch den Beginn unsrer
Wanderung durch die Himmelsräume bezeichnen.
Es war eine schöne, aber kalte
Oktobernacht, die uns wieder vereinigte. Der Vollmond
ergoß seinen bleichen Glanz über einen
reinen Himmel, nur einzelne leichte Wölkchen
wie in flüssiges Silber tauchend. Auf den Wellen
des Flusses und in dem Laub der Bäume zitterte
sein weißes Licht. Es wärre eine Nacht
für den Dichter gewesen. Rings umgaben uns Gestalten,
scharf hervortretend, wachsend in ihren Verhältnissen,
aber farblos, wesenlos gleichsam und wie herausfordernd,
ihnen Inhalt zu geben, sie mit Leben zu erfüllen.
Uns aber fesselte die Wirklichkeit ; wir harrten des
Anblicks eines erhabenen Schauspiels am Himmel selbst.
Und dieses Schauspiel begann. Wie ein leichter Rauch
überflog es von Osten her die glänzende
Mondscheibe. Bald folgte ein dunklerer grauer Schatten,
der vom Rande her langsam über die Mondscheibe
fortschreitend ihre zahlreichen Flecken unterm Anblick
entzog. Je weiter dieser Schatten fortrückte,
desto mehr wich seindüsteres Grau einer roten
Färbung, die endlich in ein dunkelglühendes
kupferrot überging, aus welchem die Mondflecken
wieder hervortauchten. Jetzt nahte der Augenblick,
wo auch das letzte Licht der Mondscheibe schwinden
sollte. Noch einmal leuchteten in feierlicher Pracht
die Gipfel am Westrand des Mondes mitreinem blauen
Lichte ; dann ward es Nacht. Ein unheimliches Dunkel
verbreitete sich über die Erde, und düster
schaute in seinem rötlichen Grau, wie von einem
Flor überzogen, durch den bisweilen ein zarter,
rosenfarbener Schimmer hervordrang, der Mond auf das
Heer der am Himmel wieder aufgetauchten funkelnden
Sterne.
Lassen wir diese Erscheinung das
Zeichen sein, unter dem wir in den Himmel einziehen
! Nicht etwa weil wir noch, wie die Alten, an bedeutungsvolle
Zeichen und Wunder glaubten, die in solchen Finsternissen
geschähen, sondern weil sie uns das Zeichen einer
nahen befreundeten Welt ist, einer Welt, die zwischen
uns und jenem festen, ewigen Fixsternhimmel sich bewegt,
in der es noch einen Wechsel von Licht und Schatten
gibt und einzelne Körper durch ihre Stellung
einander dem Auge des Menschen entziehen. Einem vielbewegten
Leben, einer zahlreichen Weltenschar werden wir in
jenen Nachbarräumen begegnen ; aber ehe wir seine
Wunder in der Nähe beschauen, wollen wir noch
einen Blick auf seine Erscheinungen aus der Ferne
werfen. Noch wird einige Zeit verfließen, ehe
die ersten silbernen Strahlen des Mondes wieder hinter
jener verdunkelten Scheibe hervorbrechen werden. Wir
wollen diese Zeit benutzen, um Kunde einzuziehen von
den Bewegungen dieser Nachbarwelten und um zum Verständnis
des Vorgangs zu gelangen, der uns des freundlichen
Mondlichtes solange beraubte!
Der Mond ist offenbar in einen Schatten
getreten, und dieser Schatten kann sein anderer sein,
als der unsrer eigenen Erde. Das ist eine so einfache
Erklärung und doch bedarf sie zu einem richtigen
Verständnis noch einer näheren Betrachtung
des Mondlaufes selbst.
Der Mond geht wie die Sonne täglich
auf und unter und rückt wie sie unter den Fixsternen
von Westen nach Osten fort, und zwar so bedeutend,
daß man es schon nach dem Verlaufe weniger Stunden
bemerken kann. Daher geht er täglich fast eine
Stunde später auf und durchläuft in ungefähr
vier Wochen den ganzen Tierkreis. Genau gemessen beträgt
die ganze Zeit, welche der Mond gebraucht, um zu demselben
Fixstern des Himmels zurückzukehren, 27 Tage
7 Stunden 45 Minuten 11½ Sekunden, und diese
Zeit nennt man den wahren oder siderischen Monat.
Während dieses Umlaufes am Himmel zeigt sich
uns aber der Mond zugleich in jenen verschiedenen
Lichtgestalten, welche man seine Phasen nennt. Diese
Lichtgestalten des Mondes hängen offenbar mit
seiner Stellung zur Sonne und Erde zusammen. Wir können
das am besten aus der Abbildung auf S. 126 sehen,
welche uns eine schematische Darstellung der Bahn
des Mondes um die Erde gibt. Die Erde ist dabei freilich
der größeren Deutlichkeit halber im Verhältnisse
zum Durchmesser der Mondbahn zu groß gezeichnet.
Die Sonne beleuchtet stets die eine Hälfte der
Mondkugel, gerade wie sie die eine Hälfte unserer
Erde bestrahlt.
Die Phasen des Mondes
Je nachdem nun diese beleuchtete
Mondhälfte uns gegenüber zugewandt oder
abgewand wird, erblicken wir den Vollmond oder Neumond.
Je nachdem wiraber den Mond mehr oder minder östlich
oder westlich von der Sonne sehen, wird uns der Anblick
einer Sichelgestalt des Mondes, des ersten oder letzten
Viertels.Der Vollmond wird also nur eintreten, wenn
der Mond der Sonne gegenübersteht, wenn er um
Mitternacht durch den Meridian geht und sein Aufgang
mit dem Untergange der Sonne zusammenfällt. Zur
Zeit des Neumondes dagegen gehen Mond und Sonne zusammen
auf und unter, und der Mond ist am Tag am Himmel,
bei Nacht unter dem Horizonte, wie die Sonne. Zur
Zeit des ersten Viertels steht der Mond bei Sonnenuntergang
im Meridian, und sein Aufgang findet am Mittag, sein
Untergang um Mitternacht statt, während zur Zeit
des letzten Viertels das Gegenteil eintritt.
Der Mondschein und sein Wechsel
Die Zeit, in welcher sich dieser
Lichtwechsel vollendet, also die Zeit von einem Neumonde
zum andern, fällt nicht ganz mit der Zeit zusammen,
in welcher der Mond zu demselben Firstern zurückkehrt.
Der sogenannte schnodische Umlauf des Mondes währt
reichlich 53 Stunden länger als jener siderische,
und zwar im Mittel 29 Tage 12 Stunden 44 Minuten 2,9
Sekunden. Die Ursache dieser Verzögerung ist
ganz dieselbe, aus welcher der Minutenzeiger unserer
Taschenuhr den Stundenzeiger nicht in einer Stunde,
sondern erst 5 5/11Minuten später einholt.
Die Erde steht nämlich ebenso wenig still als
der Minutenzeiger, und wenn der Mond an den ursprünglichen
Punkt des Himmels zurückkehrt, ist die Erde bereits
ein Stück fortgerückt, und der Mond muß
dies Stück nachholen, um wieder in die ursprüngliche
Stellung zur Sonne zu kommen. Die Figur auf Seite
127 macht dies klar. Der Mond steht in L als Neumond,
die Erde in T, und ersterer beginnt seinen Lauf um
letztere. Nachdem er seinen ganzen Kreis vollendet
hat, ist die Erde nach T' gerückt und der Mond
steht in L', so daß die Linien L'T' und LT einander
parallel sind. Der Mond hat aber jetzt noch nicht
seine Stellung als Neumond, denn alsdann müsste
die Linie T'L' über L' hinaus.
links:
Unterschied der Dauer zwischen synodischer und siderischer
Umdrehung.
Der Mond hat aber jetzt noch nicht
seine Stellung als Neumond, denn alsdann müsste
die Linie T'L' über L' hinaus verlängert
auf die Sonne treffen, welche im Mittelpunkte der
Erdbahn steht. Man sieht unmittelbar aus der Figur,
daß die Linie T`L` nicht diesen Mittelpunkt
treffen kann, sondern daneben vorbeigeht. Erst wenn
der Mond in die Richtung T``L`` gelangt, steht er
wieder mit Sonne und Erde in einer geraden Linie.
Er muß also noch ein Stück über seinen
ganzen Umlauf zurücklegen, ehe er wieder in dieselbe
Lage gegen Sonne und Erde kommt, und um diesen weiten
Bogen in seiner Bahn zu durchlaufen, gebraucht der
Mond 2 Tage 5 Stunden, um welche demnach seine synodische
Umlaufzeit länger ist, als seine wahre oder siderische.
Verfluchen wir es, ähnlich wie bei der Sonne,
die Bahn des Mondes am Himmel dadurch zu verzeichnen,
daß wir von Tag zu Tag seinem Laufe folgen und
seine täglichen örter mit einander verbinden,
so werden wir allerdings finden, daß diese Bahn,
wie bei der Sonne, einem größten Kreise
entspricht. Wenn wir aber dieselbe Bestimmung bei
mehreren aufeinander folgenden Umläufen des Mondesvornehmen,
so werden wir uns balb überzeugen, daß
eine so feste Bestimmung, wie sie durch die Unterschied
der Dauer zwischen synodischer und siderischer Ekliptik
für die Son Umdrehungnenbahn gegeben ist, für
die Mondbahn unmöglich wird .Schon unsre gewöhnliche
Beobachtung hat uns gezeigt, daß der Mond zu
verschiedenen Jahreszeiten sehr verschiedene Höhestände
am Himmel einnimmt, daß der Vollmond im Sommer
niedrig, im Winter hoch steht, daß er in den
Winternächten ungefähr da sich zeigt, wo
die Sonne in den Sommermonaten steht. Wir werden sogar
gefunden haben, daß der Mond bisweilen bedeutend
höher, als wir es je bei der Sonne bemerkt haben,
am Himmel aufrückt, daß er aber auch zu
andern Zeiten viel niedriger über dem Horizonte
bleibt, als die Sonne bei uns in den kürzesten
Tagen. Beobachten wir nun genauer, so werden wir bemerken,
daß wenn der Mond einen Umlauf vollendet hat,
er seinen neuen Umlauf niemals in derselben Bahn ausführt,
sondern daß der größte Kreis dieser
neuen Bahn eine ganz andre Lage am Himmel, namentlich
eine ganz andre Neigung gegen den äquator hat.
Wir werden bemerken, daß sich diese Neigung
ungefähr zwischen den Grenzen von 18½0
und 28½0bewegt. Beziehen wir diese verschiedenen
Bahnen des Mondes auf die Ekliptik, so werden wir
freilich seine solchen Abweichungen beobachten. Wir
werden finden, daß die Neigung der Mondbahn
gegen die Ekliptik im Laufe eines Jahres wesentlich
unverändert bleibt und ungefähr 508´40´´
beträgt. Es scheint also geradezu, als ob die
Mondbahn sich fortwährend in unveränderter
Neigung rückwärts um die Achse der Ekliptik
drehe.Wollen wir dieser eigentümlichen Bewegung
einen bestimmten Ausdruck verleihen, so werden wir
mit Rücksicht auf die bereits erkannte Bewegung
der Erde um die Sonne sage müssen, daß
der Mond sich in einer Ebene bewegt, die durch den
Mittelpunkt der Erde geht und gegen die Erdbahn unter
jenem Winkel von 508´40´´ geneigt
ist. über die besondere Form dieser Mondbahn
werden wir sofort noch nähere Ausschlüsse
erlangen, wenn wir Beobachtungen über die Größen
unterschiede der Mondscheibe anstellen und daraus
Schlüsse auf die verschiedenen Abstände
des Mondes von der Erde zeihen. Dem bloßen Auge
wird zwar der Unterschied in der Größe
der Mondscheibe in den verschiedenen Stellungen des
Mondes kaum bemerklich sein. Bekanntlich aber können
wir mit Hilfe des Mikrometers außerordentlich
genaue Messungen vornehmen, und diese Messungen habenin
der That gelehrt, daß sich der scheinbare Durchmesser
und also auch die wirkliche Entfernung des Mondes
von der Erde beständig ändert, daß
er in seiner größten Erdnähe, dem
Perigäum, nur 48950, in seiner größten
Erdferne, dem Apogäum, aber 54650 Meilen von
dem Mittelpunkte der Erde absteht.
Scheinbare Größe der Mondscheide in kleinster,
mittlere und größter Entfernung und der
Erde.
Eine richtige Vorstellung von der Mondbahn erhalten
wir also erst, wenn wir sie als elliptisch auffassen
und die Erde in einem Brennpunkt dieser Ellipse denken.
Wir dürfen uns nun freilich
nicht verhehlen, daß eine solche Vorstellung
von der Mondbahn nur eine ganz allgemeine Gültigkeit
hat, da der Mond eine so außerordentliche Veränderlichkeit
zeigt, so unablässig seine Geschwindigkeit, wie
die Lage und Gestalt seiner Bahn wechselt, daß
die genaue Bestimmung des Mondlaufes zu den Schwierigkeiten
und zeitraubendsten Geschäften des Astronomen
gehört .Der Mond selbst trägt allerdings
nicht die Schuld daran. Liefe er allein um die Sonne,
wie unsre Erde, so würde er eine geschlossene
elliptische Bahn um sie beschreiben. Nun drängt
sich aber die gewichtige Erde in seine Gesellschaft,
lenkt ihn durch ihre Anziehungskraft aus seiner Bahn
und zwingt ihn zu einer Bewegung um sie selbst. So
kommt es denn zu einer gemeinsamen Bewegung beider
Weltkörper um die Sonne, verbunden mit einer
beständigen Drehung um einen gemeinsamen Schwerpunkt,
so daß ihr Lauf einem walzerförmigen Tanze
um die Sonne gleicht. Ich sage: der Mond wird durch
die Anziehungskraft der Erde gezwungen, sie selbst
zu umkreisen. Nun ist uns bekannt, daß der Mond
bei diesem Umlaufe um die Erde uns stets dieselbe
Seite zuwendet, und obwohl gerade daraus mit Notwendigkeit
folgt, daß der Mond genau in der selben Zeit,
in welcher er seinen Umlauf um die Erde vollbringt,
sich auch einmal um seine Achse drehen muß,
so verursacht die Vorstellung von dieser Achsendrehung
des Mondes doch so oft die größte Schwierigkeit.
Es ist kaum zu begreifen, wie sonst unterrichtete
Menschen nicht auf den Einfall kommen, daß wenn
der Mond sich nicht zugleich während seiner Umlaufsbewegung
um seine Achse drehte, sondern sich stets parallel
bliebe, wir doch notwendig nach jedem halben Umlaufe
die entgegengesetzte Seite des Mondes uns zugewandt
erblicken müssten. Die untenstehende Figur wird
indieser Beziehung jeden Zweifel lösen. Sie enthält
ein Stück TT``TIV der Erdbahn und das entsprechende
Stück der Bahn des Mondes. Nehmen wir an, die
Erde befinde sich in T und auf der Mondscheibe bezeichne
der Punkt A die Mitte.
Darstellung der Mondbewegung während eines Monats
Dieser Punkt bleibt also auch stets
in der Mitte der Scheibe. Lassen wir jetzt die Erde
nach T` rücken, so hat der Mond ein Viertel seines
Umkreises vollendet und A steht in der Mitte der Scheibe.
Man sieht unmittelbar, daß sich letztere entsprechend
gedreht haben muß, sonst könnte A nicht
mehr auf der Mitte der Scheibe sichtbar sein, indem
die Linie AT eine ganz andere Richtung hat als AT`
Lassen wir die Erde nach T`` rücken, so hat der
Mond die Hälfte seines Umlaufes um dieselbe vollendet.
Gleichzeitig hat aber auch der Punkt A eine halbe
Um drehung gemacht, denn er hat nun die entgegengesetzte
Lage im Vergleiche zur Stellung im T. Wenn die Erde
in T`` anlangt, so hat sich A mit der Mondscheibe
abermals weiter gedreht und in TIV endlich seine ganze
Umdrehung vollendet. Die rotierende Bewegung des Mondes
geht mit der größten Gleichmäßigkeit
vor sich. Auf seinem Laufe durch die elliptische Bahn
um die Erde wechselt aber der Mond infolge seiner
verschiedenen Abstände von der Erde seine Geschwindigkeit
beständig, und zwar nicht bloß scheinbar,
sondern auch wirklich. Er bewegt sich langsamer in
der Erdferne, rascher in der Erdnähe, und zwar
dergestalt, daß seine Bewegung in der Erdferne
für unsern Anblick nur etwa 4/5 von derjenigen
beträgt, die in der Erdnähe stattfindet.
Eine Folge davon ist, daß wir wirklich von Zeit
zu Zeit halb an dem einen, halb an dem andern Rande
einen kleinen Teil der uns sonst abgewandten Mondseite
erblicken. Diese Erscheinung, die man die Libration
oder Schwankung des Mondes nennt, wird noch durch
den Umstand vergrößert, daß einerseits
die Drehung des Mondes um eine nicht genau senkrecht
auf einer Bahn stehende Achse erfolgt, und daß
wir anderseits den Mond nicht vom Erdmittelpunkte,
sondern von der Oberfläche der Erde, also einem
für die geringe Entfernung des Mondes wirklich
etwas erhöhten Standpunkte betrachten, von dem
sich unser Blick nach einer Richtung hin also erweitert.
Das Stück der jenseitigen Mondscheibe, das uns
auf diese Weise zu Gesicht kommt, beträgt jederseits
freilich nur etwa 3/40 der ganzen, so daß uns
immer noch 17/20 jener Seite für immer verborgen
bleiben.
Wir wollen noch einen Augenblick
bei den Unregelmäßigkeiten des Mondlaufes
verweilen. Einzelne dieser Veränderungen gehen
rasch und gleichsam vor aller Augen vor sich, während
andre so langsam erfolgen, daß sie erst nach
Jahrtausenden und nur durch die genauesten astronomischen
Beobachtungen bemerk bar werden. Zu den auffallendsten
und raschesten Veränderungen gehören, wie
ich schon bemerkte, die von der elliptischen Gestalt
der Bahn herrührenden. Sie gleichen, wenn sie
auch bedeutender sind, im allgemeinen denen unsrer
Erde, die wir in dem scheinbaren Sonnenlaufe sich
abspiegeln sehen. Auch die Anziehungen der Sonne und
Erde bewirken infolge der Lage ihrer Bahnen in verschiedenen
Ebenen, wie der verschiedenen Stellung der Mondachse
gegen die Sonne, ganzähnliche Erscheinungen wie
dort, zunächst eine kleine Veränderung in
der Lage der Mondbahn gegen die Erdbahn, ein Schwanken
ihrer Neigung zwischen 50und 50 18´, dann aber,
was weit einflussreicher und auch dem bloßen
Auge bemerklich ist, eine Veränderlichkeit der
Knoten, d.h. der Durchschnittspunkte beider Bahnen.
Diese Knoten zeigen, ähnlich dem Frühlingspunkt,
eine rückgängige Bewegung in der Mondbahn
und wandern, allerdings schneller als der Frühlingspunkt,
in 18 Jahren 218 Tagen 21 Stunden 223/4 Minuten um
den ganzen Himmel herum. Ebenso wechseln auch die
Punkte der Mondbahn, in denen die Erdnähe und
Erdferne eintritt, indem sie sehr rasch in der Bahn
vorwärts rücken und bereits in 8 Jahren
310 Tagen 13 Stunden 49 Minuten einen ganzen Umlauf
durch die Bahn vollenden. Was zunächst die rückgängige
Bewegung der Knoten der Mondbahn anbelangt, so können
wir uns von der Art und Weise wie diese Wirkung zustande
kommt, durch folgende Betrachtung eine Vorstellung
machen. Die Sonne befindet sich stets in der Ebene
der Ekliptik und ihre Anziehung wirft von hier
aus nach allen Richtungen. Sie sucht demnach den Mond,
wenn dieser sich nicht in dieser Ebene befindet, in
dieselbe herabzuziehen, und beschleunigt also den
Augenblick, in welchem der Mond den Durchschnittspunkt
seiner Bahn mit der Ebene der Ekliptik erreicht. Der
Mond erreicht also früher seinen Knoten und gleichzeitig
unter einem stumpfen Winkel, die Neigung seiner Bahn
gegen die Ekliptik nimmt zu.
links:
Die Bahn des Mondes in Bezug auf die Sonne
Nachdem der Knoten passiert und der Mond auf die andre
Seite der Ekliptik gekommen ist, wirft die Anziehung
der Sonne wieder dahin, ihn der Ekliptik zu nähern,
die Neigung der Mondbahn nimmt daher wiederum ab.
Die mittlere Neigung der Mondbahn ist also unverändert
und schwankt nur zwischen den oben angegebenen Grenzen,
aber die retrograde Bewegung der Mondknoten erhält
sich ununterbrochen. Sie ist allerdings nicht regelmäßig,
sondern ihre Geschwindigkeit verändert sich je
nach der Lage der Knoten linie zu den Mondphasen;
im Mittel beträgt sie jährlich 191/30.
Die fortschreitende Bewegung der
Punkte der Erdbahn, in welche die Erdnähe und
Erdferne eintritt, oder der beide verbindenden Linie,
der Apfidenlinie, ist ebenfalls auf die Einwirkung
der Sonne zurückzuführen. Ohne Zuhilfenehmen
mathematischer Entwicklungen ist es freilich schwierig,
diesen Effekt zu begreifen. Denken wir uns, die Apfidenlinie
der Mondbahn habe eine solche Lage im Raume, daß
ihre Verlängerung genau auf die Sonne treffen
würde, und gleichzeitig nähere sich der
Mond dem Punkte seiner Erdnähe, dem Perigäum.
Die Sonne wirft nun durch ihre Anziehung so auf ihn,
daß seine Entfernung von der Erde zunimmt; der
Mond erreicht daher den Punkt seiner größten
Erdnähe früher, als dies ohne Einwirkung
der Sonne stattfinden würde, oder die Apfidenlinie
schreitet zurück. In der Erdferne des Mondes,
dem Apogäum, strebt die Anziehung der Sonne ebenfalls
dahin, die Entfernung des Mondes von der Erde zu vergrößern;
der Mond erreicht daher den Punkt seiner Erdferne
später als bei der ungestörten Bewegung
um die Erde, oder die Apfidenlinie schreitet nun vorwärts.
Die Einwirkung der Sonne ist aber in diesem letzteren
Falle bedeuten der wie im ersteren, das Voranschreiten
überwiegt die retrograde Bewegung beim Perigäum.
Wenn die Apfidenlinie der Mondbahn nicht die hier
angenommene Lage hat, sondern etwa die darauf senkrechte,
also lotrecht zur Verbindungslinie von Sonne und Erde
steht, so bewirkt die Anziehung der Sonne, wenn sich
der Mond im Perigäum befindet, ein Vorwärtsschreiten
der Apfidenlinie, im Apogäum aber ein Rückwärtsgehen.
In diesem Falle überwiegt die retrograde Bewegung
und die Apfidenlinie schreitet zurück. Untersucht
man an Hand der Rechnung alle möglichen Fälle
genau, so findet sich, daß im ganzen die Apfidenlinie
eine fortschreitende Bewegung hat, doch ist dieselbe
äußerst unregelmäßig und geht
zeitweise in ein Rückwärtsschreiten über.
Der mittlere jährliche Betrag des Vorangehens
der Apfidenlinie des Mondes ist 40,70.
Die Zahlreichsten, wenngleich minder
beträchtlichen Unregelmäßigkeiten
des Mondlaufes hängen von der wechselnden Stellung
des Mondes zur Erde und Sonne ab, also von denselben
Verhältnissen, auf welchen die Erscheinung der
wechselnden Lichtphasen des Mondes beruht. Eben deshalb
aber werden sie von besonderer Bedeutung und können
sich einer aufmerksamen Beobachtung kaum entziehen,
um so mehr, da sie in Verbindung mit den Ungleichheiten
des Erdlaufes in einem Mondwechsel auf einen halben
Tag und darüber anwachsen können. Wäre
der Mond uns Kalender, wie den alten, so würden
wir gefunden haben, daß die Vollmonde des Sommers
stets geringere Zwischenzeiten haben als die des Winters.
Mond und Erde stehen nämlich weder in gleichem
Abstande von der Sonne noch in gleicher Richtung zu
ihr. Die Anziehung der Sonne auf Erde und Mond muß
darum sowohl ihrer Größe als Richtung nach
verschieden wirken, und diese Verschiedenheit ist
es, die der Astronom als Störung bezeichnet.
Wir dürfen bei diesem Worte aber keineswegs an
irgend eine Willkür, eine Unordnung oder Gesetzwidrigkeit
denken. Die Störungen folgen mit derselben Notwendigkeit
aus den allgemeinen Bewegungsfetzen, lassen sich mit
der selben Schärfe berechnen wie die Hauptbewegung
selbst, und nur die verwickelten Verhältnisse
erschweren diese Rechnung. Die Störungen des
Mondlaufes sind also eigentlich nur Störungen
oder, wenn wir wollen, Unbequemlichkeiten für
die astronomische Rechnung.
Wir wollen nun den Lauf von Mond
und Erde um die Sonne, den wir uns bildlich als einen
gemeinsamen Tanz vorstellen, während eines Mondwechsels
verfolgen und dabei namentlich die Stellungen beider
Weltkörper gegeneinander und zur Sonne ins Auge
fallen. Zur Zeit des Vollmondes finden wir zunächst
Mond und Erde sich in gleicher Richtung bewegend,
während zur Zeit des Neumondes beider Bewegungen
entgegengesetzt gerichtet sind. Im Vollmonde aber
steht zugleich der Mond weiter von der Sonne ab als
die Erde; seine Bewegung um die Sonne erfolgt daher
auch langsamer, er bleibt hinter der Erde zurück.
Dieser Verzögerung der Mondbewegung muß
aber zugleich auch eine Vergrößerung des
Abstandes zwischen Mond und Erde entsprechen, da die
nähere Erde stärker von der Sonne angezogen
wird als der entferntere Mond. Entgegengesetzte Verhältnisse
treten im Neumonde ein. Der Lauf des näheren
Mondes um die Sonne erfolgt rascher als der der Erde,
er eilt ihr voraus, aber freilich in einer der Bewegung
des Mondes um die Erde entgegengesetzten Richtung.
Die Gesamt bewegung des Mondes erscheint darum auch
hier verzögert. Ebenso wird auch durch die stärkere
Anziehung des näheren Mondes die Entfernung zwischen
Mond und Erde vergrößert. In beiden Stellungen
also, zur Zeit des Neu= und Voll= mondes, aber in
den Syzygien, wie man diese Phasen gemeinsam nennt,
erfolgt aus entgegengesetzten Ursachen die gleiche
Wirkung: Verzögerung des Mondlaufes und Verzögerung
des Abstandes zwischen Mond und Erde. Zur Zeit der
Mondviertel oder in den Quadraturen tritt dagegen
eine andre Wirkung ein. Beide Weltkörper stehen
gleich weit von der Sonne; nur die Richtung der Sonnenanziehung
ist für beide verschieden. Der Zug der Sonne
strebt sie einander zu nähern, die Wirkung der
Erde auf den Mond wird dadurch verstärkt und
die Mondbewegung daher beschleunigt. Die ganze Erscheinung,
welche sich gleichsam als ein Bestreben auffassen
lässt, der Mondbahn eine elliptische Gestalt
zu geben, und die in der That mit den Folgen der elliptischen
Bahnbewegung, von der sie übrigens ziemlich unabhängig
ist, große übereinstimmung zeigt, nennt
man die Ebektion, und die ist die einzige Störung
im Laufe der Himmelskörper, die bereits von einem
Astronomen des Altertums, von Ptolemäus, vor
zwei Jahrtausenden entdeckt wurde. Infolge der Ebektion
ist die Länge des Mondes zur Zeit des Voll- und
Neumondes, also in den sogenannten Syzygien, um nahe
1015´ größer, als sie nach der reinen
elliptischen, von der Sonne nicht beeinflussten Bewegung
unsres Trabanten sein sollte. Umgekehrt ist sie in
dem ersten und letzten Viertel, also zur Zeit der
Quadraturen, um 1015´ kleiner. Der Name Ebektion
für diese Störung rührt von Tycho
Brahe her.
Eine ganz ähnliche Störung
wird aber noch zu andern Zeiten des Mondwechsels durch
die Anziehung der Sonne bewirkt. In jener Zwischenzeit
nämlich, wo die eine Mondphase in die andre über
geht und Sonne und Mond mit der Erde schiefe Winkel
bilden, ist sowohl die Richtung der Sonnenanziehung
wie ihre Stärke in bezug auf Mond und Erde verschieden.
Die Folge davon ist, daß der Zug der Sonne den
Mond etwas seitwärts verrückt und dadurch
gleichfalls seinen Lauf teils beschleunigt teils verzögert.
Wenn der Mond von der Konjunktion gegen das erste
Viertel rückt, so vermindert sich infolge der
Sonnenanziehung seine Winkelbewegung, sie nimmt aber
wieder vom ersten Viertel bis zum Vollmonde zu; von
da bis zum letzten Viertel nimmt sie abermals ab und
wächst hierauf wieder bis zum Neumonde. Der wahre
Ort des Mondes muß demnach im ersten Quadranten
seiner Bahn dem elliptischen voraus sein, ebenso im
dritten, während er in den beiden übrigen
Quadranten hinter demselben zurückbleibt. Diese
Störung, die eine Ortsveränderung des Mondes
von 37 Minuten zur Folge haben kann, bezeichnet man
als Bariation, sie ist von Tycho Brahe um das Jahr
1590 entdeckt worden. Beide Störungen aber werden
natürlich im Laufe des Jahres ganz verschiedene
Größen erlangen, je nachdem die Erde in
ihrer Bahn der Sonne näher oder ferner steht,
und die Wirkung der Sonnenanziehung also mehr oder
minder stark auf Erde und Mond ist. Zur Zeit der Erdnähe,
also im Winter, werden diese Störungen weit beträchtlicher
sein als zur Zeit der Erdferne, im Sommer. Die dritte
der großen Ungleichheiten der Mondbewegung führt
den Namen jährliche Gleichung, doch beträgt
ihr größter Wert nur 11´; sie ist
also weit kleiner als die Bariation. Ihre Ursache
ist die nicht genau kreisförmige Bahn der Erde.
Weil unser Planet sich in einer Ellipse bewegt, so
muß die störende Einwirkung der Sonne sich
fortwährend vermindern, während die Erde
von der Sonnennähe zur Sonnenferne geht, und
umgekehrt zunehmen, wenn unser Planet seine Sonnenferne
erreicht hat und wieder dem Sonnennähepunkte
zustrebt. Der störende Einfluß der Sonne
auf die Mondbewegung äußert sich nun dadurch,
daß während die Erde dem Perihelium zueilt,
die Mondbahn eine stufenweise Erweiterung erfährt,
der Mond also sich mehr und mehr von der Erde entfernt;
bewegt sich die Erde dagegen vom Perihelium zum Aphelium,
so nimmt die störende Einwirkung der Sonne ab,
und die Mondbahn verkleinert sich wieder. Diese Vergrößerung
und Verringerung des mittleren Mondabstandes von der
Erde, infolge der störenden Einwirkung der Sonne,
würde sich durch direkte Messungen nur sehr schwer
oder gar nicht mit Sicherheit nachweisen lassen, aber
die änderung der Bahndimensionen des Mondes zieht
gleichzeitig eine änderung der Umlaufzeit desselben
nach sich, und diese ist es, die sich in den Beobachtungen
mit Leichtigkeit nachweisen lässt. In der That
beträgt die synodische Umlaufszeit des Mondes
im Januar, wenn die Erde sich in ihrer Sonnennähe
befindet, 293/4 Tage, ein halbes Jahr später
indes, wenn die Erde das Aphelium erreicht hat, nur
291/4 Tage. Der Mond braucht daher in der ersten Epoche
mehr Zeit um einen ganzen Umlauf zu vollbringen, als
in der letzteren; seine mittlere Bewegung ist also
in jener Periode langsamer wie in dieser, oder mit
andern Worten, in der ersten Hälfte des Jahres
wird die Länge des Mondes vermindert, in der
zweiten um ebensoviel vermehrt.
Aus diesen Mitteilungen über
die Unregelmäßigkeiten der Mondbewegung
werden wir uns wenigstens überzeugt haben, daß
die genaue Berechnung des Mondlaufes und solcher davon
abhängiger Ereignisse, wie Sonnen- und Mondfinsternisse,
nicht zu den leichtesten Arbeiten gehört. Freilich
haben schon die Astronomen des Altertums solche Finsternisse
vorausbestimmt, und diese Vorhersagungen waren es
ja vorzugsweise, durch welche sich die Astronomie
Achtung beim Volke erwarb Aber diese Vorausbestimmungen
waren keineswegs von der Zuverlässigkeit, wie
wir sie jetzt bei astronomischen Verkündigungen
gewohnt sind. Noch im 17. Jahrhundert konnte es sich
ereignen, daß für Rom eine totale Sonnenfinsternis
angekündigt wurde, während nur drei Viertel
der Sonne sich verfinsterten, und zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts vermochte man Fehler von 45 Min. bei
der Berechnung einer solchen Finsternis nicht immer
zu vermeiden.
Die Finsternisse am Himmel beruhen
darauf, daß ein Weltkörper durch einen
anderen beschattet wird. Mond und Erde sind beide
an sich dunkle, nur von der Sonne beleuchtete Körper
und werfen beide Schatten hinter sich, lang genug,
um den anderen Weltkörper zu erreichen. Die Länge
des Erdschatten beträgt zwischen 182 000 und
189 000 Meilen, die des Mondschatten zwischen 49 000
und 51 000 Meilen. Wir sehen daraus, daß der
Erdschatten mehr als dreimal über den Abstand
des Mondes hinausreicht, während der Mondschatten
freilich nur gegen die Zeit der Erdnähe die Erde
erreichen kann. So oft der Erdschatten den Mond bedeckt,
ereignet sich eine Mondfinsternis, so oft der Mondschatten
über die Erde hinzieht, eine Sonnenfinsternis;
denn die Beschattung ist für den beschatteten
Körper ja nur eine Entziehung des Sonnenlichtes.
Die Verfinsterung kann eine partiale oder eine totale
sein, je nachdem nur ein Teil des Schattens oder der
ganze den verfinsterten Weltkörper trifft. Sie
kann bei einer Sonnenfinsternis aber auch eine ringförmige
Gestalt annehmen, wenn der Mond seiner Erdferne nahe
steht, sein Schatten die Erde also nicht mehr wirklich
berührt, sondern nur darüber hinschwebt,
und die Mondscheibe daher zugleich, wenn sie vor die
Sonne tritt, einen kleinern scheinbaren Durchmesser
zeigt als die Sonnenscheibe. Die nachstehenden Abbildungen
können als Schema für eine allgemeine theoretische
Darstellung der Sonnen- und Mondfinsternisse dienen.
Entstehung einer totalen Sonnenfinsternis für
einen bestimmten Erdort
Da Mond und Erde einander offenbar nur dann beschatten
können, wenn sie in einer geraden Linie mit der
Sonne stehen, so könnte es scheinen, als ob ihre
Verfinsterungen zur Zeit jedes Neumondes sich ereignen
müssten
Entstehung einer ringförmigen Sonnenfinsternis
für einen bestimmten Erdort
Das würde in der That der Fall
sein, wenn die Mondbahn keine oder doch nur eine geringe
Neigung gegen die Erdbahn hätte. Wir haben aber
gesehen, daß diese Neigung der Mondbahn nicht
ganz unbeträchtlich ist, und so wird es kommen,
daß die meisten Vollmonde über oder unter
dem Erdschatten, die meisten Neumonde nördlich
oder südlich von der Sonne vorbeiziehen. Nur
wenn der Mond zur Zeit dieser Phasen zugleich in die
Ebene der Erdbahn oder in ihre Nähe tritt, wenn
er also sich zugleich in seinem Knoten oder diesem
nahe befindet, stellt sich eine solche Finsternis
ein. Wäre nun die Lage dieses Knotens fest, so
würde sich immer noch eine gewisse Regelmäßigkeit
in dem Erscheinen der Finsternisse zeigen; sie würden
alljährlich zu denselben Jahreszeiten, wenn auch
nicht genau an denselben Tagen eintreten. Bei der
bekannten Veränderlichkeit der Mondknoten aber
wird zur Vorherbestimmung der Finsternisse eine genaue
Berechnung dieser Knotenbewegung erfordert. Wenn die
Alten ohne den Besitz unsrer heutigen Sonnen- und
Mondtafeln dennoch solche Vorausbestimmungen und,
wie wir aus der Geschichte wissen, mit Glück
unternahmen, so verdanken sie dies ihren fleißigen
und jahrhundertelangen Beobachtungen. Schon den alten
Babyloniern, die, wie wir wissen, aufmerksame Himmelsbeobachter
waren, entging es nicht, daß nach 18 Jahren
und 10 bis 11 Tagen die Finsternisse nahe in derselben
Reihenfolge wieder eintreten. Sie nannten diese Periode
Saros, aber da sie nur annäherungsweise gilt,
so kam es vor, daß eine danach bestimmte Finsternis
ausblieb oder eine nicht vorhergesehene plötzlich
eintrat. Die Ursache jener achtzehnjährigen Finsternisperiode
ist in folgendem Umstande zu suchen. Die durchschnittliche
Zwischenzeit von einem Neumonde zum andern, der sogenannte
synodische Monat, beträgt 29 Tage 12 ¾
Stunden, so daß ein Sonnenjahr12 synodische
Monate + 11 Tage umfasst. Es würde also, wenn
sich die Lage der Mondbahn nicht änderte, beispielsweise
eine Sonnenfinsternis in dem nächsten Jahre um
11 Tage früher wiederkehren. Nun drehen sich
aber die Knoten der Mondbahn der Sonne entgegen, sodaß
diese kein volles Jahr gebraucht, um wieder beim selbigen
Knoten der Mondbahn anzugelangen, sondern bloß
346 3/5 Tage. Soll also nach Ablauf eines Vielfachen
des synodischen Monats eine Finsternis wiederkehren,
so muß dieses Vielfache auch gleichzeitig ein
Vielfaches von 346 3/5 Tagen sein. Nun sind 223 synodische
Monate = 6585 1/5 Tage, und 19 Mal 362 3/5 Tage =
6585 2/5 Tage. Da ferner 6585 ½ Tage genau
18 Jahre 11 Tage sind, so wiederholen sich also im
allgemeinen die Finsternisse nach Ablauf dieser Zeit
in derselben Reihenfolge. Wie weit die cyklische Reihenfolge
der Finsternisse genau ist, können wir zum Teil
aus nachstehender Tabelle entnehmen, welche sämtliche
von 1876 bis 1900 stattgefunden oder noch stattfindenden
vorzugsweise in Europa sichtbaren Mondfinsternisse
enthält. Mondfinsternisse, welche im letzten
Viertel dieses Jahrhunderts vorzugsweise in Europa
sichtbar waren oder noch sein werden.
1876 |
März |
10. |
Sept. |
3. |
1888 |
Jan. |
28. |
Juli |
23. |
||||
1877 |
Febr. |
27. |
(total) |
Aug. |
23. |
(total) |
1891 |
Mai |
23. |
Nov. |
26. |
||
1878 |
" |
17. |
" |
13. |
1892 |
Mai |
11. |
Nov. |
04. |
(total) |
|||
1879 |
" |
--- |
Dez. |
28. |
1894 |
März |
21. |
Sept. |
15. |
||||
1880 |
Juni |
22. |
(total) |
" |
16. |
(total) |
1895 |
" |
11. |
(total) |
" |
04. |
(total) |
1881 |
" |
12. |
" |
05. |
1896 |
Febr. |
28. |
Aug. |
23. |
||||
1883 |
April |
22. |
Sept. |
16. |
1897 |
Jan. |
08. |
Juli |
02. |
||||
1884 |
" |
20. |
(total) |
Okt. |
04. |
(total) |
1898 |
Juli |
03. |
Dez. |
27. |
(total) |
|
1885 |
März |
20. |
Sept. |
24. |
1899 |
" |
23. |
" |
17. |
||||
1887 |
Febr. |
08. |
Aug. |
05. |
1900 |
" |
13. |
Gegenwärtig bestimmt man mittels
der astronomischen Tafeln genau die Augenblicke der
Vollmonde und Neumonde und untersucht dann, ob im
ersten Falle der Abstand des Mondes von der Ekliptik
größer oder kleiner ist als der Schematische
Darstellung von Sonnen- und Mondfinsternissen.
Halbmeter des Schattenkegels, oder
im Falle für die Neumonde, ob jener Abstand des
Mondes von der Ekliptik kleiner oder größer
ist als der Halbmesser der Sonnenscheibe. So erfährt
man, bei welchen Vollmonden und Neumonden Mond- und
Sonnenfinsternisse eintreten, bei welchen nicht. Der
Abstand des Mondes von der Ebene der Ekliptik hängt
von seiner Entfernung von einem der Knoten ab, da
er in den Knoten sich ja genau in der Ebene der Ekliptik
selbst befindet und in der Mitte zwischen beiden Knoten
am weitesten von derselben entfernt ist. Man kann
daher aus dem Knotenabstande des Mondes zur Zeit des
Voll- oder Neumondes schließen, ob eine Finsternis
eintreten wird oder nicht. Es ergibt sich in dieser
Beziehung Folgendes: Es muß eine Sonnenfinsternis
eintreten, wenn sich zur Zeit des Neumondes der Mond
um weniger als 150 24´ in seiner Bahn von einem
seiner Knotenpunkte befindet. Ist dieser Abstand größer
als 180 22´, so kann keine Finsternis mehr stattfinden.
Eine Mondfinsternis muß eintreten, wenn der
Mond sich zur Zeit des Vollmondes bis zu 70 47´
von einem seiner Knotenpunkte befindet; sie kann noch
eintreten, wenn der Knotenpunkt 130 21´ beträgt.
Die Mondfinsternis muß total sein, wenn der
Vollmond bis zu 30 30´ von einem der Knoten
entfernt ist, sie kann noch total sein, wenn der Abstand
bis 70 19´ beträgt.
Der Erdschatten
Im allgemeinen ereignen sich innerhalb
18 bis 19 Jahren 70 Finsternisse und zwar 29 am Monde
und 41 an der Sonne, niemals mehr als 7 Finsternisse
in einem Jahr, aber auch nie weniger als 2. Wir sehen,
daß die Zahl der Sonnenfinsternisse die der
Mondfinsternisse fast um die Hälfte übertrifft.
Der Grund dieser größern Häufigkeit
der Sonnenfinsternisse liegt darin, daß der
Schattenkegel, in welchen der Mond ganz oder teilweise
eintreten muß, wenn eine Mondfinsternis erfolgen
soll, schmaler ist als der Raum, in welchem der Mond
sich zu befinden hat, wenn er uns eine Sonnenfinsternis
erzeugt. Wir dürfen nur die oben stehende Figur
betrachten, wo a b die Breite des Schattenkegels für
Mondfinsternisse, c d den Raum für den Ort des
Mondes bei Sonnenfinsternissen bezeichnet. Wir dürfen
uns aber nicht durch die Erfahrung täuschen lassen,
daß an unserm bestimmten Heimats ort die Sonnenfinsternisse
seltener erscheinen. Mondfinsternisse ereignen sich
nämlich stets gleichzeitig auf der ganzen Erdhälfte,
für welche der Vollmond eben am Himmel steht,
da der Mond selbst in einen Schatten tritt. Sonnenfinsternisse
dagegen treffen immer nur einen sehr kleinen, höchstens
den sechsten Teil der Erdhälfte, über welche
gerade die Schattenspitze des Mondes hinstreicht.
Für uns selbst bleiben daher die meisten Sonnenfinsternisse
unsichtbar, während wir jede Mondfinsternis erblicken
müssen, wenn sie nicht gerade die entgegengesetzte
Erdhälfte trifft. Daher kommt es, daß oft
für einen Ort Jahrhunderte vorübergehen,
ehe ihm einmal eine totale Sonnenfinsternis erscheint.
So wird unser nördliches Deutschland erst am
19. August 1887 die erste und einzige totale Sonnenfinsternis
dieses Jahrhunderts erleben. Die Linie der Totalität
geht bei dieser Finsternis von Magdeburg über
Berlin gegen Moskau hin. Beim Beginn der Erscheinung
befindet sich die Sonne für das mittlere Deutschland
noch unter dem Horizonte, sie geht also verfinstert
auf. Die nachstehende Tabelle gibt eine übersicht
der Sonnenfinsternisse, welche von 1879 bis 1900 in
Europa sichtbar waren oder noch sein werden. Sonnenfinsternisse,
welche im letzten Viertel unsres Jahrhunderts in Europa
sichtbar waren oder noch sein werden.
1879. |
Juli |
19. |
(in Deutschl. 5-7 Z. groß). |
1890. |
Juni |
17. |
(in Deutschl. 5-7 Z.groß). |
1880. |
Dez. |
31. |
( ,, ,, 1-3 ,, ,, |
1891. |
,, |
6. |
( ,, ,, 3-6 ,, ,, |
1882. |
Mai |
17. |
( ,, ,, 2-4 ,, ,, |
1896. |
Aug. |
9. |
( ,, ,, 7-9 ,, ,, |
1887. |
Aug. |
19. |
( ,, ,, 11-12 ,, ,, |
1899. |
Juni |
8. |
( ,, ,, 1-2 ,, ,, |
1888. |
Juli |
23. |
( ,, ,, 4-6 ,, ,, |
1900. |
Mai |
28. |
( ,, ,, 6-7 ,, ,, |
Die Sonnen- und Mondfinsternisse
spielen in der Thronologie eine höchst bedeutende
Rolle. Die Alten, welche zum Teil höchst abergläubische
Vorstellungen mit diesen Erscheinungen verknüpfen,
haben uns nämlich über manche Finsternisse,
die nahe mit bedeutenden politischen Ereignissen zusammentrafen,
Nachrichten überliefert, welche durch Rückwärtsrechnung
ermöglichen, die genauen Jahreszahlen und selbst
das Tagesdatum solcher Ereignisse festzustellen. Auf
diese Weise hat man z.B. gefunden, daß die berühmte,
angeblich von Thales vorhergesagte Sonnenfinsternis,
die im sechsten Jahre des Krieges zwischen Aliattes
von Lydien und Kyarares von Medien stattfand, am 28.
Mai 584 v. Chr. eingetreten ist. Um die historischen
Angaben über die Erscheinung einer Finsternis
leicht und ohne viel Rechnung zu prüfen, kann
man sich nachstehender Tafel bedienen, deren Einrichtung
ich sofort erklären werde.
.
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